Die Vorgeschichte…

Bereits vor 1921 wurde der Grundstein für unseren heutigen Verein gelegt. Im Jahr 1908 fanden sich sechs musikbegeisterte junge Männer im „Lammsaal“ zusammen, um gemeinsam zu üben. Damals jedoch nicht nur auf Blasinstrumenten, neben einer Klarinette und Trompete wurde das Ensemble mit Violinen und Kontrabass bereichert. Wer waren diese Herren? August und Wilhelm Bach, August Metzger, August Müller, Karl Sturm und Karl Kohnle – Namen, die auch heute noch in Walzbachtal vertreten sind.
Nach fleißigen und regelmäßigen Proben war das Ensemble mit Tanzmusik in Wössingen und Umgebung unterwegs. Bis der erste Weltkrieg die Musiker dazu zwang, ihre Aktivitäten zu unterbrechen.
Die Gründungsjahre…
Nachdem der erste Weltkrieg 1918 vorbei war, wurden die musikalischen Aktivitäten 1919 wieder aufgenommen. Man engagierte einen Dirigenten aus Karlsruhe für 12 Reichsmark, den die Musiker aus der eigenen Tasche bezahlen mussten. Die Investition trugen die begeisterten Musiker jedoch gerne, denn bald darauf wurden sie so gut, dass sie Konzerte spielen konnten. Im Laufe der Zeit entwickelte sich neben einem „Streichorchester“ auch ein reines Blasorchester, das die meiste Zeit nur mit Aushilfen einer Schülerkapelle aus Karlsruhe spielfähig war. 1921 kam es dann zum Zusammenschluss des „alten Musikvereins“ (Streichorchester) und des Blasorchesters, dem „Musikverein Harmonie“. Die Gründungsurkunde ist innerhalb der 100 Jahre leider nicht mehr auffindbar, lediglich ein Foto gibt es noch…
Das Jahr 1921…
Nicht nur der Musikverein wurde in diesem Jahr gegründet. Es gab weitere wichtige Ereignisse:
In Wössingen findet 1921 die Glockenweihe statt, damals unter Bürgermeister Adam Heinrich Wagner. Der Ort zählt 1750 Einwohner und ist „noch unabhängig“ von Jöhlingen.
Das elektrische Licht löste die Öllampen ab und nach und nach wurde die elektrische Straßenbeleuchtung eingeführt. Das Insulin wird entdeckt und Albert Einstein erhält den Physiknobelpreis. Persien wird zu Militärdiktatur und der Irak zum Königreich. Adolf Hitler wird Vorsitzender der NSDAP. In Dublin kommt es zu heftigen Straßenkämpfen, da die Stadt von britischen Truppen besetzt wird. Im Sport protestieren Frauen aus vier Ländern mit einer Frauen-Olympiade gegen den IOC. Das erste Autorennen findet auf der 10 Km langen Autobahn in Berlin satt und er Turnverein Wössingen feiert sein 25. Jubiläum. Musikalischer Hit in diesem Jahr ist der Schlager „Komm mein Schatz, wir trinken Likörchen“

Die Jahre bis 1933…
In den 20 er Jahren zählte der Verein nur wenige passive Mitglieder, die den Verein finanziell unterstützen. Aus diesem Grund brachten die Musiker damals neben ihrem musikalischen Engagement vor allem große finanzielle Opfer, um den Verein aufrecht zu erhalten. So konnten sie die Lebensfähigkeit des Vereins halten, der ortseigene Konkurrenz durch den Musikverein „Lyra“ hatte. 1933 gab es eine Parteiverfügung, die die „Lyra“ zwang, sich mit dem größeren Musikverein „Harmonie“ zusammenzuschließen. Der Verein blieb auch während der ersten Kriegsjahre bestehen, bis er 1942 aufgelöst wurde. Die Kasse und verschiedene Instrumente wurden beschlagnahmt.

Der Krieg war vorbei…
Am 13. November 1949 fand die Wiedergründung durch einige alte Musiker im Gasthaus „Zum Adler“ statt. (Ecke Steiner Straße/Wössinger Straße) Anwesend waren 14 Personen, davon zwei Musiker aus Königsbach, die die Kapelle beim Eröffnungsmarsch der Versammlung unterstützten. Der Wiedergründung wurde einstimmig zugestimmt. „Zweck des Vereins ist die Pflege guter Musik zum Wohle der Gesamtheit“, aktive Musiker waren beitragsfrei von passiven Mitgliedern erhob man eine Aufnahmegebühr von 1 DM und einen vierteljährigen Beitrag von 1 DM, also 4 DM im Jahr. Obwohl eine anonyme Spende eines Unbekannten aus der „US-Zone“ beim Verein einging, konnte man sich keinen Dirigenten leisten. Daher fanden die wöchentlichen Proben im „Adler“ unter der Leitung des Musikers Heinrich Wagner statt. Geprobt wurde für ein gemeinsames Konzert mit den Musikkameraden aus Königsbach, das Geld in die Vereinskasse bringen sollte. Jeder Musiker erhielt 50 (!) Eintrittskarten, die in der Bevölkerung verkauft werden mussten. (Ich finde das sollten wir wieder einführen…)

30. Jubiläum des Vereins…
1950 wurde erstmals Tanzmusik am Ostermontag angeboten und ein „Gartenfest“ im Juni geplant. Das erste Jubiläum stand bevor: vom 09.-11. Juni 1951 sollte ein großes Jubiläumsfest stattfinden zu dem 53 Kapellen eingeladen wurden. Leider hatten bis Februar 1951 nur 5 Vereine zugesagt und es war noch nicht sicher, ob tatsächlich ein Festzelt bestellt werden sollte und ein Festbuch in den Druck gehen sollte. Die Vergnügungsstände auf dem Festplatz (Süßigkeiten, Karussell etc.) wurden an den Höchstbietenden versteigert. Da im März bereits 11 Vereine zum Jubiläumsfest zugesagt hatten, wurde nach Abwägung der Finanzen ein 1000-Mann-Zelt für 650 DM Leihgebühr bestellt. Mit der Brauerei wurde ein Deal gemacht: kostenlose Lieferung des Zeltes und kostenlose Sitzgelegenheiten für 1000 Personen – im Gegenzug wurde das Eppingen Bier der „Brauerei Zorn-Söhne“ beim Fest verkauft. Erst im Mai 1951 wurde das Fest endgültig in trockene Tücher gelegt und organisatorisch gefestigt. Das Personal für Bier- und Weinausschank, sowie die Grillmeister wurden festgelegt, die Schießbude wurde selbst errichtet und betreut. Der Preis für das Festbuch wurde auf 50 Pfennige, der Krug Bier auf 60 Pfennige festgelegt. Außerdem wurde für den Sonntag von 14-18 Uhr ein Eintrittspreis ins Zelt auf 30 Pfennige erhoben, da zu dieser Zeit Tanzmusik geboten wurde. Alles in allem eine sehr spontane Planung, denn auch drei Wochen vor dem großen Fest waren noch viele organisatorische Themen wie Beleuchtung, Bühne oder Blumenschmuck noch nicht geklärt. Deshalb versammelte sich der Festausschuss nun wöchentlich. Es wurde sehr viel in Eigenleistung erbracht, da Handwerker /Material zu teuer für den Verein waren, so wurde beispielsweise die Bühne von Mitglied Helmut Gauß selbst gebaut.

Das große Festwochenende…
Vom 9.-11. Juni war es dann so weit: Das große Festwochenende zum 30. Jubiläum wurde gefeiert und der „ganze Ort war auf den Beinen“. Die Häuser wurden aufwendig geschmückt und das Festzelt stand für 1.000 Besucher bereit. Am Abend wurde das Festbankett musikalisch durch die „Harmonie“ eröffnet, gefolgt von lobenden Reden des Bürgermeisters und Verbandspräsidenten. Besonders bewundert wurde, dass der kleinste Verein das größte Fest ausrichtet, das in Wössingen je veranstaltet wurde. Das macht schon stolz – und das feierte man bis in die frühen Morgenstunden, begleitet von Musik befreundeter Vereine und den Turneinlagen der Wössinger Turnerinnen. Am Sonntag zog der große Weckruf um 6 Uhr morgens (!) durch Wössingen, der zum gemeinsamen Kirchgang aufrief. Der große Festumzug am Nachmittag fand rege Beteiligung, neben zehn Musikkapellen und Wössinger Vereinsgruppen war sogar eine Reiterschaft mit sieben Pferden mit von der Partie. Am Montag fand für die Schulkinder ein Kinderumzug statt. Im Anschluss wurden die Kinder mit Brezel belohnt, die von Bäcker Fesenbeck (nach Bereitstellung des Mehls) gestiftet wurden. Alles in allem ein gelungenes Fest, auch wenn es bei der Planung drunter und drüber ging. Immerhin konnte für die Zukunft des Vereins ein ordentliches finanzielles Polster geschaffen werden. Leider gab es auch damals schon weniger ehrliche Bürger und der Diebstahl eines Kastenwagens musste dem Eigentümer aus dem Gewinn ersetzt werden.

Der Bruch…
Immer wieder in der Vereinsgeschichte gab es Auseinandersetzungen. Kurz nach dem Jubiläumsfest entschloss man sich den Kontakt zu den Königsbacher Musikkameraden abzubrechen. Sicherlich hatte Königsbach einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Harmonie Wössingen, wäre sie doch ohne deren Unterstützung und Dirigent anfangs überhaupt nicht spielfähig gewesen. Doch am 1.Juli 1951 bei einem Auftritt in Grötzingen „benahm sich die Bruderkapelle Königsbach mitsamt ihrem Dirigenten so skandalös gegenüber den Wössinger Musikern, dass mit großer Empörung beschlossen wurde, die Königsbacher Kapelle nicht mehr zu unterstützen“ (Originalzitat Protokollbuch). Schade, dass in offiziellen Berichten die meist interessanten Hintergründe nicht beschrieben werden… jedoch zog der Streit einen Brief nach sich, indem die Königsbacher einige finanzielle Forderungen für Leihgaben und angebliche Schäden stellte. Nun musste man sich also einen neuen Dirigenten suchen, den man mit Herrn Rückert aus Rüppur fand, der jedoch nicht lange blieb.
Die 50 er Jahre… Teil 1
Der Verein war in den Jahren sehr aktiv. Es wurden Konzerte und Tanzmusik veranstaltet, das erste Gartenfest in der Bruchstraße und das erste Herbstfest im „Ochsen“ fand statt. Die Kapelle beteiligte sich an den Festen der befreundeten Musikkapellen, auch bei örtlichen Begebenheiten war die musikalische Unterhaltung der „Harmonie“ stets beliebt. Bei der Eröffnung des FV04-Clubhauses und deren Sportfestes, beim Gartenfest des Männerchors Wössingen und beim Kirchweihtanz im Turnerheim waren die Musiker immer herzlich willkommen und spielten zur Unterhaltung bis in die frühen Morgenstunden. Aufgrund mangelnden Inhalts in der Vereinskasse wurden viele Feste und Theaterabende veranstaltet, um nötigen Anschaffungen finanzieren zu können. Für die Mitglieder wurden Ständchen zu Hochzeiten und Geburtstagen gespielt und Spätheimkehrer aus dem Krieg wurden musikalisch empfangen, wie z.B. Josef Wiltschko am 2. Januar 1954. Der Verein leistete sich weitere Instrumente, die damals im Besitz des Vereins blieben und den Musikern kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden. Um ein einheitliches Erscheinungsbild der Kapelle zu erhalten, wurden Hemden genäht und Mützen gekauft. Seit 1949 hatte sich die Mitgliederzahl von 21 Mitgliedern auf über 80 Mitglieder erhöht, was dem enormen Engagement des Verwaltungsrates zu verdanken war. Die „Harmonie“ organisierte sich mehr und mehr als Verein: eine Satzung wurde aufgesetzt, um die Eintragung ins Vereinsregister zu ermöglichen und die ersten Mitgliederlisten wurden erstellt. Bei der Generalversammlung 1954 gab es Streitigkeiten zwischen der Verwaltung und den aktiven Musikern, so dass die komplette Kapelle die Versammlung verlassen hatte und nicht an den Neuwahlen teilnahm. 1955 wurde in einer außerordentlichen Generalversammlung ein „Schlussstrich unter die Streitigkeiten“ gemacht, die Wahlen der komplett neuen Verwaltung wurden von den Aktiven anerkannt und sie gaben bekannt, dass sie dem Verein als aktive Musiker weiterhin treu bleiben werden.

Aus 1 wird 2… und wieder 1
Die Streitigkeiten zogen sich fort… Nachdem mehrere Mitglieder zu einer Aussprache aufgefordert wurden und dieser nicht nachkamen, wurden sie aus dem Verein ausgeschlossen, weil sie „gegen den Verein arbeiten“. Hier bezog man das Handeln erstmals auf die 1954 verfasste Vereinssatzung. Es rumorte weiter und die ausgeschlossenen Musiker machten ihre eigene „Bürgermusik“. Bereits 1956 bemühte man sich, auch mit Hilfe des Männergesangvereins, die beiden Kapellen „Harmonie“ und „Bürgermusik“ wieder zu vereinen. Gemeinsame Proben für das Fest des Gesangvereins sollten stattfinden, eine Verhandlungskommission wurde gegründet, die die Gespräche mit der „Bürgermusik“ führen sollte. Da die „Harmonie“ beschlossen hatte bei einem Zusammenschluss der beiden Kapellen auf den Namen „Harmonie“ zu bestehen, eskalierte die Aussprache beider Parteien am 16.Mai 1956 bereits zu Beginn. Nur durch die schlichtenden Worte und die Ermahnung des Verhandlungsleiters Gustav Hermann auf Kompromisse eingehen zu müssen, einigte man sich auf den Namen „Musikverein Wössingen“. Es wurde beschlossen, die Ehrenmitglieder beider Vereine im neuen Verein zu vereinen, die Vereinskassen zusammenzulegen und die Verwaltung neu zu wählen. Schriftführer Richard Ehrenfeuchter schreibt im Protokoll dieser Aussprache: „Damit dürfte die letzte Eintragung in das Protokollbuch des Musikverein „Harmonie“ getätigt sein. Ein Stück Vereinsgeschichte, das in den vergangenen Jahren (…) nicht immer harmonisch war gehört der Vergangenheit an.“
Die 50 er Jahre… Teil 2
Mittlerweile hatten die Veranstaltungen des Vereins schon eine Tradition. An Fasching wurde ein Kappenabend oder Maskenball veranstaltet, im Frühjahr fand ein Platzkonzert am „Falltor“ (heute Haltestelle Wössingen Ost) oder am Rathaus statt, im Juli das Gartenfest im Ochsengarten (heute Polizeistation) oder auf dem Festplatz und im Dezember lud der Familienabend oder „Bunte Abend“ die Mitglieder ein. Außerdem wurde jährlich ein Ausflug geplant, um die Kameradschaft zu stärken. Die Veranstaltungen dauerten meist bis in die Morgenstunden, waren feucht fröhlich und halfen dem Verein finanziell stabil zu bleiben. 1960 traute sich die Kapelle das erste Mal, an einem Wertungsspiel in Bretten teilzunehmen. Die Musiker freuten sich über die Benotung „vorzüglich“, was allen bestätigte, dass man sich musikalisch sehen lassen konnte. Interessant war, dass gerade das Schlagzeug der Kapelle besonders gut bewertet wurde(?!).
1961- Vorbereitungen zum 40-jähriges Jubiläum
Die Planung damals verlief anders als heute und auch in den Protokollen wurde manchmal geschrieben, was dem Schriftführer Heinz S. so im Kopf herumging. Daher ein kleines Originalzitat aus unserem Protokollbuch: „Ein Zelt mit den Maßen 40 m lang und 12 m breit wurde bestellt. Die Bühne soll von der Gemeinde Jöhlingen geliehen werden. Der Kleintierzuchtverein Ladenburg soll, auf Anregung von Karl D. eingeladen werden. Zum Glück schloss der 1. Vorstand frühzeitig die Sitzung, mitunter wäre noch einer auf den Gedanken gekommen den Kaiser von China einzuladen.“ Eines war damals schon schwierig – helfende Hände zu finden, die zum Gelingen des Festes notwendig waren. „Man bedenke, rund 130 Mitglieder zählt der Verein und etwa 20 dürfen die Arbeit machen. Ich möchte hier nicht einige Kameraden herausstellen, möge der Nachwelt nur das eine überliefert werden, (…). Besonders die Geschäftsleute sind nur noch Mitglied, um Gelder zu verdienen.“ So wurde die Lieferung von Fleisch und Weck auf drei Metzger und vier Bäcker verteilt.
Das große Fest – Pfingsten 1961
Nach zweitägigem Zeltaufbau begann das Jubiläumsfest am Samstagabend feucht. Trotzdem waren alle Ortsvereine und Ehrengäste gekommen und überbrachten dem Verein Geschenke anlässlich des Jubiläums. Am Sonntag lief ein Sternmarsch durch Wössingen. Aus verschiedenen Ecken Wössingens marschierten befreundete Kapellen durch den Ort, die sich dann am Festplatz zusammenfanden. Leider hatte es Petrus nicht so gut gemeint und so manche Kapelle wurde auf dem Weg zum Festzelt nass. Trotzdem war der Besuch sehr gut und auch der „Bunte Abend“ mit einem aus dem Fernsehen bekannten Unterhalter ein voller Erfolg. Der Montag war vom Frühschoppen bis zum Abend gefüllt mit Unterhaltung durch befreundete Musikvereine. Besonders hervorgehoben wurde hier das Jugendblasorchester aus Mörsch, die mit exzellenten Solisten glänzten und die Tanzkapelle aus Daxlanden, die für einen großartigen Festausklang sorgten. Trotz des durchwachsenen Wetters konnte auf ein erfolgreiches Fest zurückgeblickt werden.
Anfang der 60 er Jahre
Es war die Zeit gekommen, sich um den Nachwuchs des Vereins zu kümmern. Erstmals wurde hierfür ein Jugendleiter gewählt, der die Jugend herbeibringen und für die Musik begeistern sollte. Es gestaltete sich schwierig, daher wurde ein Gespräch mit dem Bürgermeister, dem Rektor und dem Verbandspräsident anvisiert, um Unterstützung zu erhalten. Mit einer Werbeaktion über die örtliche Rufanlage (damals waren Lautsprechen in vielen Straßen angebracht) und einem „Werbekonzert“ am Ostersonntag sollte die Jugend begeistert werden. Mit Erfolg! Bereits kurze Zeit später zählte die erste Schülerkapelle des Vereins 40 (!!!) Jungmusiker. Die Instrumente stellte auch damals schon der Verein für eine geringe monatliche Rate zur Verfügung. Doch in der Verwaltung lief nicht alles rund, denn 1963 war der Verein kurz davor, ohne 1. und 2. Vorsitzenden dazustehen. Ausschlaggebend dafür waren unbekannte Vorkommnisse bei der Generalversammlung 1962, die einige bewährte Mitglieder zum Austritt bewegte. Während der Generalversammlung wurde den Herren Vorsitzenden so lange gut zugeredet, bis sie sich doch nochmals für die Wahl zur Verfügung stellten. Das erste Frühjahrskonzert der Kapelle brachte nicht den gewünschten Zuspruch und das Gartenfest, das immer im Juni stattfand, musste auch mal auf August verschoben werden. Hier gab es zusätzlich örtliche Probleme, so dass das Fest in jedem Jahr an einem anderen Ort stattfand. Den Bunten Abend im Dezember wollte der Musikverein nicht mehr nur für Vereinsmitglieder, sondern auch für die Bevölkerung veranstalten. Eine schöne Idee, die jedoch nur von ca. 70 Einwohnern gewürdigt wurde.
Es läuft rund…
In den kommenden Jahren lief es immer besser im Vereinsleben. Das erste Konzert der Schülerkapelle im November 1965, die nun seit rund einem Jahr bestand, fand im Turnerheim statt. Der Saal war so voll, dass vielen Zuhörern der Eintritt verwehrt und das Konzert im Dezember nochmals wiederholt wurde. Im selben Jahr sollte neben dem traditionellen Gartenfest erstmals ein Waldfest am Steinbrüchle veranstaltet werden. Ob es tatsächlich stattfand, ist aus den Unterlagen leider nicht herauszulesen. Den Erzählungen nach wurde es jedoch des Öfteren aufgrund des schlechten Wetters spontan abgesagt oder verschoben. Im September reiste der Musikverein mit 55 Teilnehmern erneut zur Partnerkapelle nach Zell am See. Dort wurden mehrere Platzkonzerte gegeben, eines sogar in 2000 m Höhe auf der Schmittenhöhe. Die Größe der Kapelle und der Schülerkapelle war nun so gewachsen, dass der bisherige Probenraum im Nebenzimmer des „Ochsen“ nicht mehr ausreichte. Daher wurde bei der Gemeinde angefragt, ob der Rathaussaal für die Proben der Schülerkapelle genutzt werden kann. Im folgenden Jahr wurde der Verein weiter strukturiert. Jedem Mitglied wird ab sofort eine Glückwunschkarte zum Geburtstag übersandt, eine Tradition, die über 50 Jahre anhielt. Außerdem wurde festgelegt, dass die Kapelle die Beerdigung von Mitgliedern musikalisch begleitet. Diese letzte Ehre wurde ebenfalls viele Jahrzehnte fortgeführt und nur aufgrund der beruflichen Veränderungen der Musiker, die nicht mehr nur in Wössingen arbeiteten, eingestellt. Was wir heute noch gerne machen: Jedes Mitglied (ab 50 Jahren) bekommt auf Wunsch ein Geburtstagsständchen zu seinem runden Jubeltag. Damals wurde zu goldenen Hochzeiten gespielt, heute spielen wir liebend gerne auf Hochzeiten unserer Mitglieder. Das wären doch mehrere gute Gründe in unserem Verein Mitglied zu werden!!!

Traditionelles Konzert am Ostersonntag
Am 14.04.1968 fand zum ersten Mal das Osterkonzert des Musikvereins Wössingen statt. Im voll besetzten Turnerheim begeisterten die Schüler- und Seniorenkapelle mit hervorragender Leistung die zahlreichen Zuhörer. Auch noch nach über 50 Jahren halten wir an dieser Tradition fest und veranstalten jedes Jahr am Ostersonntag um 20 Uhr unser Jahreskonzert. Es wurde schon oft über die Verlegung des Termins diskutiert, jedoch schlussendlich immer wieder beibehalten. Seit 1968 fiel das Konzert nur dreimal aus: einmal lief der Dirigent kurzfristig davon, zweimal musste es leider aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Wir hoffen aber, dass wir im Jahr 2022 wieder in der Böhnlichhalle auf der Bühne sitzen werden und mehr als 300 Zuhörer begeistern dürfen! Die Kapelle war unter folgenden musikalischen Leitern aktiv:
Dirigenten
1949 – 1951 Willi Braun
1951 Erich Rückert
1951 – 1959 Georg Bauer
1959 – 1964 Willi Braun
1965 – 1979 Rolf Fischer
1979 – 1983 Siegfried Lepp
1983 – 1988 Wolfgang Reinhardt
1988 – 1991 Peter Esser
1991 – 2000 Helmut Albert
2000 – 2007 Roland Eberle
2007 Jürgen Knam (Gast Dirigent)
2007 – 2008 Isabell Srfling
2008 – 2017 Werner Gerhäuser
2017 – 2023 Jürgen Knam
ab 2023 Judith Bühler
Neue Vereinssatzung und Ehrenordnung
Im Jahr 1968 wurde eine neue Satzung erstellt und beim Amtsgericht eingereicht, die Neuerung ist auch für dieses Jahr angedacht, da es notwendige Passagen, wie z.B. Datenschutz gibt, die in der Satzung festgehalten werden müssen. Auch die Ehrenordnung wurde damals erfasst, diese ist auch heute noch Grundlage für die Ehrungen unserer treuen Mitglieder. Der Beitrag für die Mitgliedschaft wurde für aktive und passive Mitglieder von 50 Pfennige auf 1 DM pro Monat erhöht. Heute sind aktive Mitglieder und Ehrenmitglieder beitragsfrei, passive Mitglieder bezahlen 25 € im Jahr. Im Jubiläumsjahr hat der Verein 185 Mitglieder, davon sind 52 Aktive im Alter von 9- 85 Jahren und 24 Ehrenmitglieder, die über 45 Jahre die Treue zu unserem Verein gehalten haben. Neben unserem Ehrenvorstand Adam Schmalz waren folgende Personen federführend in der Leitung des Vereins als 1. Vorsitzender tätig:
1. Vorsitzende
Vor 1949 kein Vorsitzender bekannt
1949 – 1954 Karl Deuscher
1954 – 1955 Heinrich Wagner („Harmonie“)
1955 Kurt Kinsch („Bürgermusik“)
1956 – 1959 Paul Konrad (Musikverein)
1959 – 1965 Heinrich Wagner
1965 – 1968 Paul Konrad
1968 – 1973 Helmut Redemann
1973 – 1974 Klemens Karthaus
1974 – 1994 Adam Schmalz
1994 – 1997 Dieter Wiltschko
1997 – 2012 Bernd Redemann
2012 – 2023 Severine Krüger
ab 2023 Matthias Jaki
Ende der 60 er Jahre
Anfang Mai 1968 fand ein Waldfest im Steinbruch statt, das ab sofort jedes Jahr wiederholt werden soll. Das schon viele Jahre bestehende Gartenfest im Juni, fand erstmals in der „Steighalle“ statt. Da man dort wetterunabhängig war, fand es an allen drei Veranstaltungstagen großen Zuspruch und die „Steighalle“ sollte weiterhin als Veranstaltungsort genutzt werden. Das Gebäude war jedoch noch nicht komplett fertiggestellt, d.h. sanitäre und wirtschaftliche Räume waren noch nicht vollständig vorhanden. Daher wurde vom Bürgermeister gebeten, dass sich der Verein mit einer Bausumme von 3000 DM beteiligt, um das Gebäude weiterhin für seine Zwecke nutzen zu können. Die Summe wurde geleistet und folgende Nutzungen von der finanziellen Beteiligung „abgeschrieben“. Ein wichtiger Schritt für den Verein, denn in manch Gastwirtschaft, in der geprobt und veranstaltet wurde, gab es zunehmend Auseinandersetzungen und Ärger mit dem Wirt. 1969 wurde ein großer Teil der Schülerkapelle in das große Orchester aufgenommen und das Osterkonzert konnte mit einer stattlichen Anzahl von Musikern im Turnerheim präsentiert werden. Nicht allen Vereinen ging es so gut… Der Akkordeonverein stellte in diesem Jahr einen Antrag zur Eingliederung ihres Vereins in den Musikverein, der vorerst jedoch zurückgestellt wurde. In der Gemeinde wurde das Gemeindeblatt ins Leben gerufen, ein Vorgänger der Zeitung, die sie jetzt gerade in den Händen halten. So wurde die Kommunikation mit den Mitgliedern und Einwohnern deutlich vereinfacht und Veranstaltungen konnten besser beworben werden.
Halbzeit – 1971
Die Hälfte der Vereinsgeschichte liegt jetzt hinter uns. Zeit für mich, als Verfasser der Geschichtsausschnitte, kurz zu Wort zu kommen. Es interessant in der Vereinsgeschichte zu wälzen, aber auch anstrengend. Die Protokolle sind mit Füller handschriftlich geführt und leider hatte nicht jeder Schriftführer eine leicht lesbare Schrift und korrekte Rechtschreibung. Jeder Bericht muss gelesen werden, denn erst dann weiß ich ja, ob er interessant ist! Viele Geschehnisse kenne ich schon aus Erzählungen meiner älteren Musikkameraden Adam und Rolf, doch ich habe während der Recherche wieder vieles Neues aus der Geschichte meines Vereins erfahren und hätte doch zu manchem Bericht noch gerne mehr Hintergründe gelesen. Im Musikverein hat es schon immer „gemenschelt“, so wurden überstürzt Ämter niedergelegt oder Austritte eingereicht. Was da hinter den Kulissen abging steht leider nirgends geschrieben in einem Protokollbuch oder in einem Zeitungsartikel, die es sowieso nur selten gab in den Anfängen des Vereins. Vergleichbar zu heute waren aber viele Dinge auch einfacher als heute: Die Vorschriften und Genehmigungen zur Durchführung einer Veranstaltung waren deutlich geringer und die Organisation schnell auf die Beine gestellt. Finanziell gesehen hatten es unsere Vorgänger wirklich nicht einfach. Gerade in den ersten Jahren war viel Eigenleistung notwendig. Aber die Ausgaben waren damals auch deutlich geringer als heute. Heute profitieren wir von wenigen Fördergeldern, aber besser als nichts… Dank jährlich eingehender Spenden unserer Mitglieder und Einnahmen durch unsere gut besuchten Veranstaltungen, ist unser finanzieller Bestand gesichert. Mir ist aufgefallen, dass der Musikverein noch nie ein „zu Hause“ hatte, das ist leider heute noch so. Damals wurde zwischen den Gaststätten „Adler“, „Ochse“ und „Lamm“ gependelt, um zu proben. Mal sehen, wo wir noch so unterkommen bis wir in der Aula der Grundschule ankommen! Beim Lesen der Vereinsgeschichte fand ich es immer schade, dass kaum Fotos existieren. Liest man doch immer wieder Namen, die einem nichts sagen, davon viele Nachnamen, die heute noch in Wössingen anzutreffen sind. So langsam tauchen Namen auf, die ich kenne und wozu ich ein Gesicht habe, was natürlich gleich noch mehr Interesse in mir weckt. Bis jetzt habe ich viel gelacht, geflucht (da nicht lesbar) und war manchmal auch geschockt… ich bin gespannt wie die Geschichte weitergeht. Ich hoffe, dass sie unsere Berichte genauso interessiert lesen und weiterverfolgen werden.

50 Jahre Musikverein
Aus den Jahren 1969 – 1974 gibt es leider keine Aufzeichnungen. Ob der Schriftführer schreibfaul war oder das Protokollbuch nicht mehr existiert steht in den Sternen. Was damals in Wössingen geschah? 1969 wird der „Gutshof“ beim TV Wössingen eröffnet, 1970 weiht die Gemeinde das neue Rathaus und Feuerwehrhaus ein und schließt sich am 01.01.1971 zur Gemeinde Walzbachtal zusammen.
Dank der Festschrift aus dem Jahr 1971 kann ich trotzdem auch ein wenig über den Musikverein berichten. Der Verein entschied bereits 1969, dass anlässlich des Jubiläums ein Bezirksmusikfest stattfinden soll. Im Juni 1971 veranstaltete der Verein am Samstagabend ein Festbankett unter Mitwirkung der Musikvereine Wössingen und Wilferdingen, sowie dem Männergesangverein Wössingen. Der Sonntag wurde durch einen Festgottesdienst mit Beteilung des Posaunenchors eröffnet, gefolgt von einem Gemeinschaftskonzert der Musikvereine Wössingen und Helmsheim. Am Nachmittag marschierten zehn Kapellen aus der Umgebung in einem Sternmarsch durch den Ort und musizierten anschließend noch im Festzelt. Am Abend unterhielten der Musikverein Wössingen und die Feuerwehrkapelle Jöhlingen die Festbesucher. Zum Abschluss des Jubiläumsfestes fand am Montag ein „Bunter Abend“ mit Künstlern aus Funk und Fernsehen statt. Ein enormes Programm, vor allem für die Musiker, die wahrscheinlich neben Musikmachen noch Auf- Abbau und eine Schicht zu leisten hatten. Hut ab!
Die Siebziger…
1974 löste Adam Schmalz den 1. Vorsitzenden Helmut Redemann ab. Adam ist auch heute noch aktiver Musiker und unterstützt uns auch noch im Alter von 86 Jahren im Orchester mit seiner Trompete, aber auch nach den Proben hat er immer eine Geschichte oder einen Rat für uns parat. Im gleichen Jahr fand ein gemeinsames Frühlingsfest mit dem Männergesangverein statt. Ein kleiner Auszug aus der Speisekarte… traumhafte Preise!!!
Festpreise
Cola 0,80 DM
Bier 1,40 DM
Steak 3,00 DM
Gulaschsuppe 1,80 DM
Der Musikverein ist auch sportlich unterwegs! Erstmals beteiligte sich eine Mannschaft beim Ortsturnier des Fußballvereins und des Turnvereins (Handball). Die gewonnenen 40 Liter Bier, die der Verein beim Fußball gewonnen hatte, wurden nur wenige Wochen bei einem Grillfest von den Musikern feierlich getrunken. Aber nicht nur im Sport wirkte der Verein mit, auch bei Firmen war die Kapelle zu Gast. So unterhielten wir zum Beispiel die Angestellten des französischen Zementwerks Fleming, die beim Wössinger „Portland“-Zementwerk zu Gast waren und wurden dafür zu Speis und Trank eingeladen.
Unterwegs mit dem „Lustigen Walzbachtäler“
1974 war ein sehr terminreiches Jahr. Neben allen „normalen“ Terminen und Geburtstagsständchen, stand ein großer Ausflug nach Bad Münster am Stein an. Die Deutsche Bahn bot damals immer wieder Sonderzugfahrten an, doch diese Fahrt war etwas ganz Besonderes. Der Zug war ausschließlich von Wössinger und Jöhlinger Anwohnern besetzt und zählte 640 Personen, die gemeinsam einen Ausflug in die Pfalz starteten, somit war jeder 11. Anwohner mit von der Partie. Von allen Walzbachtaler Vereinen waren Mitglieder dabei und auch einige Firmen machten diese Fahrt zu ihrem Betriebsausflug. Sogar die Lokführung war mit Anton Scharli in Walzbachtaler Hand und auch Bürgermeister Siegbert Heckmann war mit seiner kompletten Familie unter den Reisenden. Der Musikverein Wössingen wurde am Reiseziel eingeladen, ein Platzkonzert im Kurgarten zu veranstalten und begeisterte die Zuhörer so sehr, dass gleich eine weitere Einladung für das folgende Jahr ausgesprochen wurde. Nebenbei wurde noch die Ebernburg besichtigt und auf den Spuren Franz von Sickingen gewandelt. Ein toller Ausflug der für alle Altersklassen und sozialen Schichten ein ganz besonderer Tag war!

Der Bürgersaal wird zum Proberaum
Am 30.10.1974 fand die erste Probe im neu gebauten Bürgersaal über dem Feuerwehrhaus statt. Der Musikverein konnte hier sogar einen maßangefertigten Noten- und Instrumentenschrank aufstellen und hatte dafür einen eigenen Raum. Im Bürgersaal fanden von 1974 – 2016 aber nicht nur Musikproben statt, er wurde für kleine Veranstaltungen, Jugendwerbung, Instrumentalunterricht, musikalische Früherziehung, Verwaltungssitzungen und Musikeraussprachen genutzt. Mit einer kleinen Silvesterfeier (intern „Abrissparty“ genannt) hat sich der Musikverein am 31.12.2016 von seinem Bürgersaal verabschiedet. Den Notenschrank, der dort 1974 aufgebaut wurde, existiert noch. Doch leider steht er ungenutzt in einer privaten Garage, da der Raum, in den man ihn stellen könnte, immer noch fehlt.
Mitte der Siebziger wurde der Fokus auf die Jugendarbeit gelegt und die Jugendgewinnung gefördert. Hierzu gab es mehrere Berichte in der örtlichen Presse mit Titeln „Jugendarbeit steht im Mittelpunkt“ oder „Die Jugendkapelle soll gefördert werden“, so plante man auch erstmals Ausflüge mit der Jugend, um nicht nur gemeinsam Musik zu machen. Auch heute legen wir den Fokus auf den Nachwuchs, denn ohne Nachwuchs wird es den Verein irgendwann nicht mehr geben. Aufgrund des vielfältigen Freizeitangebots, das den Kindern zur Verfügung steht, ist es jedoch deutlich schwieriger als vor noch 30 Jahren. Und im Laufe der Zeit verliert man natürlich auch wieder einige Jugendliche, die zum Beispiel fürs Studium wegziehen oder aufgrund der Ausbildung keine Zeit mehr haben. Aber wir möchten nicht jammern! Mit der Bläserklasse, die 2018 als Kooperation mit den Schulen und der Feuerwehrkapelle ins Leben gerufen wurde, konnten wir viele Grundschüler begeistern. Im Anschluss an das zweijährige Projekt spielen die Kinder im „Juniorexpress“ und in der Jugendkapelle, bis sie dann irgendwann bei den „Großen“ im Orchester spielen dürfen. Aber auch die Jugendlichen, die ohne das Projekt in unseren Orchestern spielen, sind engagiert und zuverlässig. Es ist eine großartige Gemeinschaft, die auch mal zusammen Pizza backt oder in den Freizeitpark fährt.
Das erste Waldfest
„Am 1. Mai 1975 veranstaltete der Musikverein links auf dem Waldparkplatz oberhalb des alten Steinbruchs Richtung Stein ein Waldfest. Es gab Flaschenbier und belegte Schinkenweck. Es war schönes Wetter und mit den finanziellen Einnahmen konnten wir zufrieden sein.“ Ja so begann es 1975… in den folgenden Jahren war immer wieder im Ortsblatt zu lesen: „Am 1. Mai findet das Waldfest des Musikvereins statt. Bei schlechtem Wetter wird es auf den darauffolgenden Sonntag gelegt.“ Ganz schön spontan – aber da es ohne großen Aufwand organisiert wurde, war das machbar. Der Bevölkerung wurde die Veranstaltung mitgeteilt, in dem die Kapelle durch den Ort marschierte. Leider las man ebenfalls öfter, dass es aufgrund des Wetters komplett ausfiel. Daher wurde im Laufe der Jahre ein Zelt aufgestellt, das Küchenzelt geschaffen und erweitert. Es gab zusätzlich zwei Hütten für Kaffee und Kuchen, sowie Crêpe. Da es kein Wasser und Strom gab, wurde ein Aggregat und tausende Liter Wasser in Tanks zum Grillplatz gekarrt. Befreundete Vereine musizierten am 30.04. nach dem Maibaumstellen und auch am 01.05. war immer ein großartiges Programm geboten. Es war bei schönstem Wetter sehr gute besucht, die Kinder konnten herumspringen oder den Wald erkunden. In den letzten Jahren hatten wir leider immer mehr Pech mit dem Wetter. Der Grillplatz wurde eigentlich nur noch vom Musikverein genutzt und wilderte immer mehr zu. So mussten wir in den letzten Jahren den Platz vor dem fest begradigen und einigermaßen begehbar zu machen. Als dann unser langjähriger Zeltbauer noch in Rente ging und wir keinesfalls ein Zelt nochmals zu so einem Preis bekommen würden, wurde darüber nachgedacht, das Fest in den Ort zu legen. Lange wurde gehadert: Sollen wir die Tradition aufgeben? Macht es Sinn, das fest so weiterzuführen, da wir bei schlechtem Wetter so wenige Einnahmen hatten und dafür mehr als 4 Tage buckeln mussten? Wir wagten den Schritt und zogen in den Wössinger Hof um! Es war ein voller Erfolg! Natürlich mit weniger Platz, aber mit deutlich weniger Aufwand: fließend Strom und Wasser und sogar eine Toilette gibt es vor Ort. Der Verein kaufte sich zwei maßgerechte Zelte, die die Musiker mittlerweile in kürzester Zeit gemeinsam aufbauen können. Und auch bei schlechterem Wetter kommen zahlreiche Besucher, um die erste Bratwurst der Saison zu genießen. Wir freuen uns bereits nach zwei Jahren ohne Waldfest (es heißt jetzt Maifest) auf das nächste Jahr und hoffen, dass wir es in irgendeiner Weise durchführen können.
Arbeitsreiche Jahre
In den Jahren ab 1975 war der Verein schwer beschäftigt mit zahlreichen Auftritten bei befreundeten Vereinen, Konzertbesuchen und eigenen Festen wie das Waldfest, das Frühlingsfest gemeinsam mit dem Männergesangverein, Geburtstags- und Hochzeitsständchen, Beerdigungen, Wertungsspielen, Fußballturnieren, … Ein Pensum, das aus heutiger Sicht nicht stemmbar scheint. So zum Beispiel am 1. Mai 1976, als der Verein das Waldfest ab 8 Uhr morgens durch kleine Platzkonzerte im Ort ankündigte, ab 10 Uhr das Fest veranstaltete, abends ein kleiner Bus einige Musiker noch zu einem Konzert nach Neudorf fuhr und am nächsten Morgen die Kapelle dann auch noch die heilige Kommunion musikalisch umrahmte. Wann haben die Musiker denn geschlafen?
Bei aller Aktivität gab es im Laufe der Zeit dann immer wieder Unstimmigkeiten und Streitigkeiten zwischen Musikern oder auch mit dem Dirigenten. Thema war z.B. das „unsachgemäße Auftreten der Musiker bei öffentlichen Auftritten“, wobei hier nicht das Verhalten, sondern die Kleidung der Musiker kritisiert wurde, da es seit einiger Zeit eine einheitliche Uniform für die Musiker gab, mit der es einige wohl nicht so genau nahmen. Aber auch persönliche Streitigkeiten führten zu Auseinandersetzungen im Verein, woraufhin Dirigent Fischer sogar drohte den Verein zu verlassen, wenn sich die Stimmung nicht besserte und auch Verwaltungsmitglieder konnten nur durch Überredungskunst auf ihrem Amt gehalten werden. Es wurden viele Krisengespräche geführt, doch die Stimmung hatte einen Knacks. An Vereinsausflügen war der Unmut zu spüren, denn oft nahmen von 100 Mitgliedern nur eine Hand voll an den aufwendig organisierten Ausflügen teil. Ein kleines Zitat aus den Krisengesprächen muss ich an dieser Stelle für Bernd, Michael und Moriz anbringen: „Ein Blasorchester ohne Tuba ist einfach keine Musik.“ (September 1976) Wenn das so ist, dann sind wir froh, dass wir euch haben…

Ausländische Kontakte
1978 wurde ein lang gehegter Wunsch war: Der Musikverein Wössingen bekam Besuch aus Holland. Der Schriftführer des Musikvereins Harmonie „La Bona Futura“ Poortugaal aus Holland kam für ein Wochenende ins Dorf, um die ersten schriftlichen Kontakte nun persönlich zu festigen. Es wurde viel erzählt, eine Ortsführung durch Wössingen gemacht und in einer kleinen Sitzung besprochen, wie eine Partnerschaft zwischen Wössingen und Poortugaal aussehen könnte. Natürlich präsentierte sich auch die Kapelle, um beim holländischen Gast einen guten Eindruck zu hinterlassen. Am Sonntagmorgen verabschiedete er sich dann schon wieder. Im Gepäck hatte er als Souvenirs 2 Laibe deutsches Brot und 2 Flaschen Kürnbacher Schwarzriesling. Im Folgenden begann man die Planung einer Reise nach Holland um die neue Partnerschaft zu pflegen, die Reise musste jedoch aufgrund verschiedener Probleme verschoben werden. Dirigent Fischer hatte angekündigt, dass er sein Amt aufgrund vorhergehender Ereignisse abgeben will und es musste nach 15 Jahren ein neuer Dirigent gesucht werden. Der Vorschlag, einen vereinseigenen Dirigenten mit Siegfried Schneider haben zu können, wurde mit viel Bedenken verworfen. Es sei wichtiger einen guten Tenorhornisten zu haben, den man nicht an das Dirigieren verlieren wollte.
Im gleichen Jahr fand erstmals das Wössinger Straßenfest statt. Nachdem im Dezember 1978 die Umgehung der B293 bei strömendem Regen eingeweiht wurde, konnte die Hauptstraße für ein Straßenfest genutzt werden. Trotz Kälte und Regen feierten hunderte Wössinger Bürger die „Lärmbefreiung“ bei Glühwein und Gulaschsuppe.
Neuer Dirigent und Nachwuchsarbeit
Nach einigen Auftritten ohne Dirigenten, konnte man im September 1979 Siegfried Lepp aus Weingarten als neuen Dirigenten verpflichten. Siegfried Schneider, der die Proben aushilfsweise leitete, kümmerte sich auch intensiv um die Nachwuchsförderung. So wurden 120 Buben(!), Mädchen wollte man damals wohl noch nicht, persönlich angeschrieben. Die Adressen wurden vom Rathaus zur Verfügung gestellt. Ganz einfach – so ohne Datenschutz… Die jungen Mitbürger wurden zu einem Informationsabend eingeladen, bei dem die Instrumente ausprobiert werden konnten. Zeitgleich wurde ein Musik-Testkurs gestartet, der an zwei Tagen je eine Stunde stattfand. Hier wurden die Jungmusiker in theoretischer Musiklehre und an Orff’schen Schlaginstrumenten geschult, die beste Grundlage für eine erfolgreiche Musikerkarriere. Nachdem die 1. Schülerkapelle aus 1974 bereits bei den Erwachsenen integriert wurde, konnte 1980 eine neue Schülerkapelle mit 18 Kindern gegründet werden. Heute sind aus der ersten Schülerkapelle nur noch zwei Musiker aktiv (Bernd Wiltschko und Thomas Schmalz), aus der zweiten Schülerkapelle noch drei (Nicole Spiegel-Redemann, Alexander Jaki und Matthias Jaki). Alle anderen haben das Instrument leider an den Nagel gehängt oder machen in anderen Vereinen Musik.

Holland…
Nach dem ersten persönlichen Besuch der Holländischen Abordnung in Wössingen Ende der 70 er, reisten auch zwei Wössinger zum Musikverein Harmonie „La Bona Futura“ Poortugaal nach Holland. Sie wurden herzlich empfangen, doch die Leistungen des Orchesters überzeugten nicht und entsprachen nicht den „Anforderungen“ der Wössinger. Außerdem lebten die Holländer in sehr „ärmlichen Verhältnissen“, so dass die Verwaltung entschied, den Kontakt abzubrechen. Es entstand ein neuer Kontakt in Holland. Man hatte regen Briefwechsel mit Dinteloord und im Frühjahr 1980 besuchten Adam Schmalz, Helmut Redemann und Siegfried Schneider den Ort nahe der Hafenstadt „Willemstadt“. Und so kam es, dass der Wössinger Musikverein bereits im Juni 1980 um 5 Uhr morgens mit dem Bus nach Holland reiste, um den Musikverein Harmonie Volharding Dinteloord zu besuchen. Nach einem Ortsrundgang durch die 5000-Seelen-Gemeinde und einem Ausflug ins nahe gelegene Rotterdam, fand am Abend ein Konzert statt. Neben ihrem Blasorchester, präsentierten die Gastgeber auch ihre „Drum-Band“ und den gemischten Chor. Letzterer überraschte die Gäste mit zwei deutschen Volksliedern. Im Anschluss gab der Wössinger Musikverein sein Können zum Besten. Begeisterungsstürme gab es nach der Gesangsdarbietung von Jürgen Krug und den Märschen „Deutschmeister Regimentsmarsch“ und „Alte Kameraden“. Ein toller Abend klang noch lange mit flotter Tanzmusik aus… Am Sonntagmorgen spielte das Wössinger Orchester in der katholischen Kirche zum Hauptgottesdienst die „Feuerwerksmusik“ von Händel, die durch die grandiose Akustik eine besondere Wirkung hatte. Dann was es schon wieder Zeit, Abschied zu nehmen und man versprach sich, dass es 1981 in Wössingen ein Wiedersehen geben wird. Es war ein aufregendes und erlebnisreiches Wochenende von dem noch heute erzählt wird.
Die „Holländer“ in Wössingen
Tatsächlich kamen die Musikfreunde aus Dinteloord im Mai 1981 nach Wössingen, die anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des Musikvereins Wössingen eingeladen wurden und mit großem „Tamtam“ im Bürgersaal empfangen wurden. Unter den Flaggen der Niedelande und Deutschlands begrüßte Bürgermeister Heckmann die Gäste und erzählte von der Ortsgeschichte Wössingens bzw. Walzbachtals. Am folgenden Tag wurde ein Ausflug zu den Vogtsbauernhöfen gemacht, anschließend marschierten die Dinteloorder Musiker durch Wössingen, um das abendliche Konzert anzukündigen. Bei diesem Jubiläumskonzert begeisterten die Holländer vor allem mit dem „Holzschuhtanz“ und ernteten tobenden Applaus. Den Abend ließ man dann mit Tanzmusik und geselligem Beisammensein ausklingen und schon am nächsten Morgen mussten die Freunde zurück nach Holland. Zum Abschied standen winkende Wössinger am Straßenrand und singende Holländer saßen im Bus. Am Vorabend hatten sie den Schlager „Rucki-Zucki“ kennengelernt und hörten nicht mehr auf, die Melodie immer wieder zu singen… bis sie langsam in der Ferne verklang. Leider brach der Kontakt zu Dinteloord in den kommenden Jahren ab und es gab keinen weiteren Besuch.
Fettnäpfchen…
In den Jahren Anfang der 80 er trat man immer wieder in Fettnäpfchen, da man Feste an Tagen plante, an denen bereits Termine anderer Vereine standen. So kollidierte man mit dem Gartenfest des Männergesangvereins und verschob es. Dumm nur, dass am Ausweichtermin das Gemeindefest des CVJM stattfand. Es gab große Diskussionen und Ärger, sodass man das Fest ganz absagte. Auch heute noch ist es ein „ungeschriebenes Gesetz“, dass die Vereine Rücksicht aufeinander nehmen, wenn sie Veranstaltungen planen. Die Stimmung im Orchester und bei den Mitgliedern war in diesen Jahren auch nicht optimal. Oft war ein sehr schlechter Probenbesuch, sodass Musiker aus Weingarten und Neibsheim hinzugezogen wurden. Manch Musiker sagte, dass es nicht die Lösung sei, mehr „fremde“ als eigene Musiker im Orchester zu haben. Die Verwaltungssitzungen und auch die Jahreshauptversammlung waren miserabel besucht, was Vorstand Adam Schmalz immer wieder kritisierte. Ist auch wirklich schade für alle Engagierten, wenn es die Mitglieder nicht interessiert.
Die Entwicklung des Osterkonzerts
1965 wurde das Osterkonzert erstmals durchgeführt, damals als Platzkonzert am „Falltorgraben“. Im Laufe der Zeit entwickelte man es immer weiter. So zog man in das Turnerheim in der Seestraße und später in die Heinrich-Wagner-Halle. Bis 1983 waren es immer Konzerte mit Bewirtung, um es für die Besucher attraktiv zu machen. Es wurde getrunken, gegessen und man unterhielt sich – ganz nebenbei lauschte man der oft anspruchsvollen Musik. 1983 entschloss man sich dann, das Konzert in ein „Stuhlkonzert“ umzuändern, das trotzdem großen Andrang fand. In den 90 er Jahren zog man in die Sporthalle des Turnvereins und nach Fertigstellung schlussendlich in die Böhnlichhalle. Dort finden die Osterkonzerte jährlich am Ostersonntag statt. Wir stellen das Konzert immer unter ein bestimmtes Motto und spielen dazu ein passendes Programm. In den letzten beiden Jahren mussten wir auf unser Highlight des Jahres verzichten, freuen uns aber jetzt schon auf den 17. April 2022. Denn wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir dann wieder zahlreiche Besucher begrüßen dürfen.
Krisenstimmung
Wenn man die Chronik von 1981-1983 liest, dann gab es in diesen Jahren Termine Schlag auf Schlag. Geburtstage, Polterabende, Hochzeiten, Beerdigungen und natürlich die Auftritte bei den Festen der befreundeten Vereine. In Jöhlingen wurde dem Orchester beim Feuerwehrfest der Auftritt verweigert, da die Königsbacher gerade „Hochstimmung“ machten und die Veranstalter wohl fürchteten, dass die Wössinger die Besucher vergraulten. Zudem liest man in diesen Jahren oft: „wir spielten ohne Dirigent“, was zu Kritik in den Reihen der Musiker führte. Außerdem war die Stückeauswahl von Siegfried Lepp nicht der Geschmack der Musiker. So gab es Ende September 1983 einen regen Wortaustausch in der Musikprobe wobei sich die Musiker und der Dirigent gegenseitig beschuldigten. Der Dirigent wollte neue Stücke proben und die Musiker sagten, dass sie bei Auftritten ohne Dirigenten keine neuen Stücke spielen konnten. Obwohl der Vorstand einige Tage später noch zu schlichten versuchte, erschien der Dirigent in der nächsten Probe einfach nicht mehr. So standen die Musiker ohne musikalische Leitung da…
Jungmusikerleistungsabzeichen
Erstmals 1983 nahmen Jugendliche des Musikvereins an einem Lehrgang in der Musikakademie in Kürnbach teil. Inhalt war das Erlernen von Musiktheorie wie z.B. Intervallen und Tempobezeichnungen, aber auch die Musikgeschichte über die Epochen berühmter Komponisten wie Bach und Mozart. Dazu kam das Vortragen von Tonleitern und eines „Prüfungsstückes“, das zuvor im heimischen Unterricht vorbereitet wurde und zum Abschluss des Lehrgangs vor einer Prüfungskommission vorgetragen wurde. Von den neun Musikern, die damals das Jungmusikerleistungsabzeichen (JMLA) in Bronze ablegten, ist Matthias Jaki noch aktiv und bereitet die heutige Jugend auf das JMLA vor. Heute wird etwas mehr von den Jugendlichen verlangt, denn es reicht nicht das bloße Auswendiglernen von Musikgeschichte und musikalischen Bezeichnungen. Gehörbildung und Rhythmus sind als neue Themen des Lehrgangs mit aufgenommen worden. Das JMLA in Bronze ist der „Leistungsstand“, bei dem die Jugendlichen ins große Blasorchester aufgenommen werden können. Über die Jahrzehnte stand aber nie der Lehrgang an sich im Vordergrund, sondern der Spaß, den die Jugendlichen damals in Kürnbach, heute im Schloss Flehingen hatten. Gemeinsame Unternehmungen und das gemeinsame Musizieren mit bis zu 100 Jugendlichen aus dem gesamten Verband war immer ein Erlebnis. Manch Jugendlicher legte daher nicht nur das Bronzene Abzeichen ab, sondern auch das Silberne oder sogar das Goldene!
Jugendwerbung und neuer Dirigent
Ende 1983 ging es wieder aufwärts… es wurde viel Zeit und Mühe in die Jugendwerbung gesteckt, 102 Kinder wurden persönlich angeschrieben und zu einem Infoabend eingeladen. Bereits eine Woche später fand die Ausbildung von 15 Kindern in Musiktheorie statt, um eine Grundlage für das Erlernen eines Instrumentes zu schaffen.
Auch im großen Orchester war man nicht lange ohne Dirigenten. Aus vier Bewerbern entschied sich die Vorstandschaft für Wolfgang Reinhardt aus Ruit. Er war gebürtiger Österreicher, hatte Klarinette, Cello und Klavier in Salzburg studiert. Neben seiner langjährigen Laufbahn als Berufsmusiker, war er Arrangeur und Komponist. Er schrieb für uns den Marsch „Hoch Wössingen“, der vor einigen Jahren nochmals beim Osterkonzert vorgetragen wurde. Mit Wolfgang Reinhardt begann auch die Tradition, sich auf der Burg Ortenberg mit einem Probenwochenende aufs Osterkonzert vorzubereiten. Es war immer ein arbeitsintensives Wochenende, aber auch eine lustige Zeit mit Spieleabend, wodurch die Kameradschaft gestärkt wurde und manche Musiker sich auch mal näher kennenlernten… Diese Tradition endete leider 1996, da es immer unmöglicher wurde, alle Musiker von Freitag bis Sonntag auf die Burg zu bekommen.

Maibaumstellen
Im Jahr 1983 lebte die alte Tradition wieder auf, einen Maibaum in den Ortsteilen vor dem Rathaus zu stellen. Die kleine Feierlichkeit wird seither vom Musikverein musikalisch umrahmt und läutet gleichzeitig das Waldfest bzw. Maifest ein. Auch wenn die Musiker meist gestresst von den Vorbereitungen und dem Aufbau um 18 Uhr zum Maibaustellen hetzten, ist es immer wieder ein schöner Moment und eine kurze Verschnaufpause, bevor das Fest losgeht. 1986 wurde erstmals ein beheiztes Festzelt für das Waldfest gestellt und somit musste das Fest bei schlechterem Wetter nicht mehr abgesagt werden, was die Jahre zuvor leider öfter der Fall war. 2019 konnten wir den Maibaum erstmals auf dem neuen Rathausplatz stellen und musikalisch begleiten. 1984 gab es ein straffes Programm! Am ersten Maiwochenende war das sehr gut besuchte Waldfest mit strahlendem Sonnenschein, am darauffolgenden Wochenende die große Gewerbeschau in Wössingen und nur zwei Wochen später ein dreitägiges Musikfest des Musikvereins. Neben zahlreichen befreundeten Kapellen aus der Umgebung, begrüßten wir auch eine Bayrische Trachtenkapelle Holzheim, die am Abend zum Tanz aufspielte. Im Gegenzug besuchten die Wössinger Musiker die Freunde aus Bayern im September 1985.
Licht und Schatten
Mitte der 80 er gibt es viele schöne Berichte zu lesen. Die Holländer waren zum zweiten Mal in Wössingen und Wössingen ein weiteres Mal in Holland. Dieser Besuch wurde sogar von einem Fernsehteam gefilmt und im holländischen Fernsehen ausgestrahlt. Es gab zahlreiche Auftritte in der Umgebung und bei Vereinen in Wössingen. Oft liest man, dass die Kapelle „begeisterte“, jedoch liest man immer wieder, dass manches nicht so gut war. Es kamen teilweise nur wenige Musiker zu den Auftritten, der Dirigent experimentierte mit der Auswahl der Stücke und in Jöhlingen schmiss die Kapelle sogar um! So kam es dazu, dass eine außerordentliche Sitzung zur Aussprache zwischen Dirigenten und der Verwaltung einberufen wurde. Durch sachliche und offene Gespräche konnte eine Krise verhindert werden und Wolfgang Reinhardt blieb als Dirigent erhalten und man glänzte mit abwechslungsreichen Osterkonzerten in den folgenden Jahren. 1988 verließ er uns dann doch und es folgte ein Dirigent, von dem noch heute viel erzählt wird und der uns auch manchmal wieder über den Weg läuft.
Walzbachtal entwickelt sich…
Im Jahr 1986 kaufte die Gemeinde den „Frankenhof“, der heute „Wössinger Hof“ genannt wird. Alle Walzbachtaler Vereine wurden daraufhin angefragt, ob sie an einer Nutzung des Gebäudes Interesse hätten. Da die Sporthallen in Walzbachtal bereits zufriedenstellend und ausreichend vorhanden waren, dankten die Sportvereine für das Angebot und lehnten eine Nutzung ab. Auch die meisten kulturellen Vereine waren mit der Nutzung des „Lammsaals“ und des „Bürgersaals“ zufrieden und forderten anstatt der Nutzung des „Frankenhofs“ einen Ausbau der Bühne in der „Heinrich-Wagner-Halle“, um die Konzerte dort besser durchführen zu können. Nur der Musikverein hatte Interesse an der Nutzung als Probenraum, plädierte aber auch für einen Lagerraum, womit man nicht dienen konnte. So blieb alles beim Alten und der „Wössinger Hof“ wurde nur gelegentlich für kleinere Vereinsveranstaltungen genutzt.
Im Jahr 1987 wurde die Zufahrt zum Wössinger Zementwerk eingeweiht, natürlich musikalisch umrahmt vom Musikverein. Eine „Chance für die Entwicklung Wössingens“ liest man in der BNN zu diesem Ereignis. Noch heute bietet das Zementwerk (Opterra) zahlreiche Arbeitsplätze und unterstützt die Vereine. So konnte das Unternehmen auch als Sponsor der Walzbachtaler Bläserklasse gewonnen werden.
Neues Outfit für die Musiker
Dirigent Wolfgang Reinhardt hatte oft viel Kritik geübt, unter anderem auch am Erscheinungsbild der Kapelle. So kritisierte er die Vielfalt der getragenen Hosen, die das Orchester nicht einheitlich erscheinen lässt. Einheitliche Uniformjacken waren schon vorhanden, übrigens immer noch die gleichen wie heute! Heute werden sie kaum noch getragen, da die Schnitte von damals nicht mehr ganz so passend sind. 1988 erhielt die Kapelle dann einheitliche graue Uniformhosen mit Bügelfalte. Endlich ein Erscheinungsbild im Sinne des Dirigenten, der sich über den Anblick leider nicht mehr erfreuen konnte. Er wurde einige Monate zuvor bereits fristlos entlassen! Nun war Peter Esser der musikalische Leiter, der sein erstes Osterkonzert nur wenige Monate später dirigieren durfte. Legendär war die Stückewahl, denn noch heute erzählt man sich von der „Leichten Kavallerie“, die 1988 gespielt wurde und alles andere als „leicht“ war. Das Stück wurde auch beim Wertungsspiel vor einer Jury präsentiert und nicht so gut bewertet. Das Orchester vermutete jedoch, dass die schlechte Bewertung auch am im Verband nicht ganz so gut angesehenen Dirigenten lag…

Musikverein auf Reise
Es entstand ein neuer Trend – „Bähnlefahren“ Im Juli gings zur Brauereibesichtigung nach Karlsruhe, im September in die Pfalz. Ca.250 Personen starteten mit der Deutschen Bundesbahn nach Edenkoben, um dort zu wandern und ein Gläschen Wein zu genießen. Die meisten der Reisenden waren Musiker der Musikvereine aus Wössingen und Büchig, sowie des Wössinger Gesangvereins. Sogar der neue Bürgermeister Mahler war mit seiner Familie mit dabei und lobte diesen unvergesslichen Tag. Im Dezember fand die große „Nikolausfahrt“ mit dem Sonderzug der AVG statt. Von Karlsruhe ging es nach Ettlingen, Bad Herrenalb, Leopoldshafen und Durlach. Im Zug wurde Kaffee und Gebäck gereicht und der Nikolaus kam als kleine Überraschung. Die Fahrt kam so gut an und die Plätze waren schnell vergeben, so dass nicht alle Interessierten einen Platz bekamen. Kurzerhand wurde für den Februar eine Fahrt ins Renchtal organisiert, die von Offenburg nach Oberkirch und Bad Peterstal führte. Wiederum eine gelungene Fahrt, die alle begeisterte.
Straßenfest
Viele Jahre fand in der Seestraße ein kleines Straßenfest statt. Im Jahr 1989 wechselte das Fest auf die Wössinger Straße und präsentierte sich mit 17 Ständen der Wössinger Vereine. Der Musikverein begann mit einem „Bierbrunnen“ gegenüber der Grundschule. Im Laufe der Jahre zog der Verein dann in den Schulhof der Grundschule und auf die Bushaltestelle davor. Das Angebot wurde immer wieder verändert und erweitert: Crêpes, Siedfleisch mit Meerrettich, Chili con Carne, Champignons mit Knobi-Sauce, Schmalzbrot, Rahmfleck,… in einem Jahr boten wir sogar Pferdewurst an, die hervorragend schmeckte, aber nur wenige Besucher sich trauten zu probieren. In der Scheune der Grundschule war jahrelang eine legendäre Bar, die dann auch im Wössinger Hof wieder aufgebaut wurde, jedoch aufgrund Platz- und Personalmangels schließlich nicht mehr angeboten werden konnte. Eine lange Diskussion gab es, da im Pilswagen nicht nur Pils angeboten wurde, sondern auch Köstritzer Schwarzbier, anstatt wie üblich Weizenbier. Irgendwann nahm der Lieferant das Schwarzbier im Fass aus dem Sortiment und die es blieb keine Wahl mehr: Weizenbier muss her! Auf der Aktionsbühne hatten wir auch immer unseren festen Auftritt beim Fassanstich, der je nach Bürgermeister nicht immer gleich kla
Neue Freunde in Kupferzell
1990 entstand eine neue Freundschaft zum Musikverein in Kupferzell. Der damalige Vorsitzende Fritz Rehm wuchs in Wössingen auf und holte sich mit dem Musikverein ein Stückchen Heimat nach Kupferzell. Die vielen Ausflüge, die wir mit dem Bus dorthin unternahmen, waren immer legendär. In manchem Jahr stand das Publikum sogar tobend auf den Bänken und tanzte. Wir wurden immer sehr herzlich aufgenommen und der Abschied dauerte manchmal Stunden…. Unser letzter Auftritt dort war am Jubiläum der Kupferzeller. Nach einem langen Festumzug sollte ein großer Massenchor mit allen beteiligten auf dem Sportplatz stattfinden, doch kurz zuvor gab es einen großen Platschregen und alle Musiker flüchteten schnell ins Festzelt. Vor einigen Jahren besuchten wir ein Konzert der Musikfreunde, da wir uns wunderten, warum wir nicht mehr eingeladen wurden, bekamen wir die Erklärung: Auf dem Festplatz dürfen keine Feste mehr stattfinden. Ein neuer Mitbürger hat sich mehrfach über den Lärm beschwert und so entschloss der Gemeinderat, die Nutzung des Platzes zu verbieten. So schnell entscheidet eine einzige Meinung über das Schicksal der Vereine…
Der Kontakt schlief nach und nach ein. Ich sollte unseren Freunden mal ein Päckchen schicken… vielleicht suchen sie ja immer noch ihre beiden Notenmappen, die sie vor knapp 20 Jahren mal beim Waldfest haben liegen lassen und von uns bisher als Erinnerung aufbewahrt wurden.
